STADT­tei­lMISSION “senf­korn”

Ein Pfarrer in der Platte

Ein vom Kirchen­kreis Gotha ausge­sandter Pfarrer verzichtet auf seine bishe­rige Pfarr­stelle, zieht in eine kirch­lich uner­reichte Plat­ten­bau­sied­lung und wird Stadt­teil­mis­sionar. Nun bringen er und seine Frau den Menschen Gottes Liebe ins Quartier…

Das Reich Gottes ist wie ein Senfkorn…

Dieses Gleichnis, das Jesus erzählt hat, begleitet die Arbeit von Pfarrer Michael Wein­mann als Stadt­teil­mis­sionar des Ev. Kirchen­kreises in Gotha-West. Bei einem Einfüh­rungs­got­tes­dienst auf dem Coburger Platz in Gotha forderte er die Besu­cher ausdrück­lich auf “… ihren Senf dazu zu geben”.

Ziel des Projektes

Ein Stadt­teil­mis­sionar in einem Stadt­quar­tier Gotha-West (sozialer Brenn­punkt, auch Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund) „in einer Weise kirch­liche Präsenz etablieren und dabei Formen des Gottes­dienstes, der Verkün­di­gung und es Kontakts mit der Frohen Botschaft des Evan­ge­liums ausbilden, die unmit­tel­baren Bezug zum Lebens­kon­text im Sozi­al­raum haben“. Ziel ist die dauer­hafte kirch­liche Präsenz.

Voll­stän­diger Bericht

Ein fünf­ge­schos­siger Plat­tenbau am zentralen Platz im Plat­ten­bau­ge­biet Gotha-West – neben Aldi-Park­platz und REWE-Kauf­halle. Im Erdge­schoss das Stadt­teil­büro des Kirchen­kreises Gotha. Ein Flur mit Bücher­re­galen. Ein Wohn­zimmer mit einfa­chen, aber freund­li­chen Möbeln. Es dient für Gespräche, Gottes­dienste und als Ruhe­raum. Für Tee und Kaffee und kleinen Stär­kungen gibt es eine Küchen­ni­sche. Weiter findet sich ein WC mit Dusche und ein Arbeits­zimmer. Die Möbel hat Stadt­teil­mis­sionar Pfarrer Michael Wein­mann größ­ten­teils selbst einge­bracht. Sie passten nicht in die fast baugleiche Wohnung, nur zehn Minuten Weg von hier. Es ist über­haupt nicht leicht, aus einem geräu­migen Pfarr­haus in einen Plat­tenbau einzuziehen.

Dass er und seine Frau Chris­tiane, die als Lehrerin an einer Grund­schule unter­richtet, das einmal tun würden, hätten sich die beiden lange nicht träumen lassen. Doch in ihrer lang­jäh­rigen Gemeinde in Gotha-Sieb­leben ergaben sich nach und nach einige Verbin­dungen in diesen Stadt­teil auf der anderen Seite von Gotha. Menschen, die in Sieb­leben in Kirchen­asyl gewesen sind, wech­selten dorthin. Kinder wurden aufwändig zu den Kinder­stunden nach Sieb­leben geholt. Wäre es nicht auf Dauer besser, etwas vor Ort anzu­bieten? Kirch­liche Ange­bote sind hier bisher kaum vorhanden. Von 10.000 Einwoh­nern sind nur ca. 1.200 evangelisch.

Zur jähr­li­chen Alli­anz­ge­bets­woche, so ist es hier Brauch, teilt man sich auf und geht betend durch die Stadt. So lernt man, sie mit den Augen Gottes anzu­sehen. Wein­manns wählten dafür 2011 bewusst Gotha-West. Sie merkten dabei: „Das Viertel liegt uns am Herzen“. Im Dezember 2014 bittet ein Ehepaar von außer­halb, sich anderswo an einer Gemein­de­pflan­zung zu betei­ligen. Doch Wein­manns merken: Ihre Gedanken sind statt­dessen sofort in Gotha-West.

Schon vorher hatte man auch im Gemein­de­kir­chenrat der Stadt über eine dortige sozi­al­mis­sio­na­ri­sche Stadt­teil­ar­beit nach­ge­dacht. Im Januar 2015 nun stellt Super­in­ten­dent Frie­de­mann Witting die konkrete Vision einer Stadt­tei­lmission Gotha-West im Kreis­kir­chenrat vor. Wegen Pfarr­stel­len­re­du­zie­rungen wäre bis 2020 eine ½ Stelle frei verfügbar. Die könnte der Kirchen­kreis dafür einbringen.

Genau am Tag vorher war man wieder betend durch die Stadt gegangen, wieder sind Wein­manns in Gotha-West unter­wegs gewesen. Sie merken, sie sind inner­lich bereit für diese Aufgabe. So tritt Pfarrer Wein­mann im Januar 2016 seine neue Aufgabe als Stadt­teil­mis­sionar an.

Er erzählt, wie anders sich diese Arbeit anfühlt. Nicht das Pfarramt mit seinen gewohnten Abläufen und inner­ge­meind­li­chen Bezie­hungen zählt hier, sondern die spon­tane Begeg­nung mit den Menschen auf der Straße. Viele mit auslän­di­schen Wurzeln sind darunter. Ein buntes Gemisch von Kulturen und Reli­gionen und Menschen ohne Glauben oder Religion.

Es gibt in der Stadt­tei­lmission keine festen Sprech­zeiten. Wenn das Licht brennt oder eine Kerze im Fenster steht, weiß man, dass der Pfarrer da ist. Aber seine Tele­fon­nummer ist öffent­lich. Michael Wein­mann lebt einfach als Nachbar unter Nach­barn. Getreu eines Satzes von Bonhoeffer, den dieser über Jesus sagte: „Es kommt ein Mensch zum Menschen.“ An diesen Satz muss Pfarrer Wein­mann oft denken.

So wird Leben geteilt. Und es gibt Raum für Spon­ta­neität – etwa für ein kurzer­hand tele­fo­nisch orga­ni­siertes Pick­nick mit Ball­spiel mit Leuten aus dem Quar­tier. Manche finden auch den Weg zu ihrer Privat­woh­nung, wenn sie Anliegen haben.

Zweimal im Monat findet ein Gottes­dienst im Wohn­zimmer der Stadt­tei­lmission statt. Kleine Hocker komplet­tieren die zu wenigen Stühle. Mitt­wochs ist ein kleiner Gebets­kreis – vier, fünf Leute, Wein­manns mitge­zählt. Bibel­ge­spräch: Die Immi­granten sind aus verschie­denen Herkunfts­län­dern und Kulturen, Rumänen, Serbier, Albaner, Roma, Paki­stanis und andere. Jeder liest den Text in seiner eigenen Sprache. Sie sind wiss­be­gierig. Bibel­lesen mit ihnen ist inter­es­sant und berei­chernd. Jesus im Boot, seine Stil­lung des Sturmes erin­nert an die furcht­bare Über­fahrt übers Mittel­meer, der Zorn der Jünger über das Jesus abwei­sende sama­ri­ta­ni­sche Dorf an verletztes Ehrge­fühl, Rache, den Krieg. Dämonen sind in manchen der Herkunfts­länder eine eher vertraute Realität. Manche der Teil­nehmer gehen mutige Schritte des Glau­bens. Ein Höhe­punkt: „Befiel du deine Wege“, von Herzen gesungen in unver­kennbar afri­ka­ni­schem Sound.

Die Einhei­mi­schen zeigen sich oft nicht so offen. Man kommt in der Regel nicht einfach so. „Aber wenn Sie mal eine Aufgabe für mich haben, komme ich gern und helfe mit“.

Wie mühsam ist die hohe Fluk­tua­tion im Stadt­teil! Kaum ist man mit Menschen vertraut, geht man gemeinsam ein Stück hoffungs­vollen Weges, zieht mancher von ihnen wieder weg. Bezie­hungs­ar­beit. Dazu vier Stunden in Stadt­teil­schule, von 350 Schü­lern acht­zehn im alters­über­grei­fenden RU. 40 % Migran­ten­kinder. Schul­so­zi­al­ar­beit schafft Bezie­hungen auch mit nicht­christ­li­chen Kindern.

Und was ist, wenn das Bezie­hungs­ge­flecht weiter wächst? Wenn die Offen­heit noch größer wird als das Vermögen zu geben? Wein­manns träumen von Verbün­deten, die die Heraus­for­de­rungen mit auf ihre Schul­tern nehmen, von einer tragenden Gemein­schaft von Dienenden. „Wir brau­chen ein Netz und nicht einen Punkt“.

Ob die Über­nahme der Räum­lich­keiten einer einst­mals im Wohn­ge­biet beliebten Gast­stätte eine Hilfe wäre? Mit anderen Part­nern zusammen könnte man Kaffee ausschenken, für Gespräche bereit sein, mitein­ander spielen, kurz­fristig Wohn­raum geben, eine Ableger der Klei­der­kammer aufma­chen, Gottes­dienste öffent­li­cher feiern…

Pfarrer Wein­mann ist sich sicher: Geld ist eigent­lich nicht das Problem. Spenden kommen, oftmals unver­hofft. So finan­ziert jemand spontan den Groß­teil der Kosten eines Busses, damit Kinder aus dem Wohn­ge­biet bei einem Musi­cal­pro­jekt anderswo auf dem Land mitwirken können. Das ermu­tigt, Größeres zu erwarten als bisher realis­tisch scheint. Eben wie bei einem so unscheinbar kleinen Senf­korn, in dem Jesus schon größeres erblickt.

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