Was sind Erprobungsräume?
Die Erprobungsräume wurden im November 2014 von der Landessynode der EKM beschlossen und sind im Sommer 2015 an den Start gegangen. Sie verstehen sich als einen Prozess zur Förderung anderer Gemeindeformen: wenn Christen zusammen kommen und nach außen strahlen – an anderen Orten, zu anderen Zeiten oder auf andere Weise, eine Art Ergänzung und Erweiterung zum traditionellen Gottesdienst am Sonntagmorgen um 10.00 Uhr in der Kirche.
Die Landeskirche fördert die Erprobungsräume durch:
- Fachliche Begleitung (Falls man wissen möchte, wie das andere machen oder wie man an Geld kommt.)
- Juristische Beratung (Falls man mit der Initiative an die Grenzen der Kirchengesetze stößt.)
- Finanzielle Unterstützung (Bis zu 50% der Projektkosten können gefördert werden.)
Bisher gab es drei Antragszeiträume, in denen man sich bewerben konnte. Der letzte endete am 31.3.2019. Antragsteller sind meist Initiativgruppen vor Ort, Kirchenkreise oder Kirchengemeinden der EKM. Auf den Seiten 12 und 13 können Sie sehen, welche bisher den Zuschlag bekommen haben (Stand Februar 2019).
Die Steuerungsgruppe, bestehend u.a. aus Vikar und Superintendent, Ehrenamtlicher und Expertin aus der EKD, entscheidet, welche Anträge bewilligt werden. Maßgeblich für die Entscheidung sind die sieben Merkmale, die die Erprobungsräume vor Ort aufweisen sollen. [Link zu 7 Kennzeichen] Wenn ein Projekt nur vier der sieben Merkmale erfüllt, kann es als „kleiner Erprobungsraum“ anerkannt werden. Dann ist eine Einmalförderung von bis zu 15.000 € möglich. Die Steuerungsgruppe wird beraten vom Fachbeirat, der ökumenisch besetzt ist und einmal im Jahr tagt.
Wenn man Erprobungsraum geworden ist, wird man durch das Team und die Steuerungsgruppe begleitet. Es gibt jährliche Werkstatt-Tage zur Inspiration und Vernetzung sowie Erkundungsfahrten zu ähnlichen Prozessen. Alle Projekte werden zudem auf der Webseite vorgestellt: Überhaupt eine gute Übersicht über den Prozess, falls noch Fragen offen geblieben sind.
Da die EKM mit den Erprobungsräumen in Deutschland Vorreiter ist, sucht sie die Vernetzung mit denen, die im internationalen Kontext Erfahrung gesammelt haben: Hier insbesondere mit der Protestantischen Kirche in den Niederlanden und der Church of England.
Der Prozess Erprobungsräume sollte laut Synodalbeschluss zunächst nur bis 2021 laufen. Am 22. September 2020 durfte aber das Kollegium des Landeskirchenrates eine überarbeitete Ordnung und neue Förderrichtlinien beschließen, die ab Januar 2021 gelten und weit darüber hinaus neue Erprobungsräume zulassen. Der Prozess geht weiter!
Neue Förderrichtlinien für Erprobungsräume ab 1. Januar 2021!
Eine Einführung
Die Erprobungsräume sind längst nicht mehr eine isolierte exotische Pflanze im bunten Garten kirchlicher Wirklichkeit. Sie wirken sich auch auf die Gemeinden und Kirchenkreise, ja die landeskirchliche Entwicklung aus – trotz mancher naturgemäßer Irritationen durchaus positiv!
Sonst wäre es nicht der einhellige Wunsch, nach zunächst sechs Jahren ins Auge gefasster Erprobungen den Prozess getrost weiterzuführen. Freilich in etwas veränderter Gestalt. Denn die bisher gemachten Erfahrungen lassen auch manche Korrektur als ratsam erscheinen. Das ergaben die Reflektionen in der Steuerungsgruppe, im Team Erprobungsräume im Landeskirchenamt, im jährlich beratenden Fachbeirat, den zwei mit der Evaluation beauftragten Instituten und nicht zuletzt im Kollegium des Landeskirchenrates, das als Lenkungsgruppe fungiert. Darauf fußend hat das Kollegium am 22. September 2020 die Ordnung für den Erprobungsräume-Prozess sowie die Förderrichtlinien für zukünftige Erprobungsräume neu gefasst und im Amtsblatt im November 2020 veröffentlicht.
Bereits ab dem 1. Januar 2021 ist es nun möglich, weitere Anträge auf Anerkennung von Erprobungsräumen zu stellen! Dazu wird es in Zukunft keine besonderen Zeitfenster mehr geben. Das Einreichen von Anträgen ist jederzeit möglich. Die bisher für eine Anerkennung wichtigen sieben Kriterien werden beibehalten. Sie haben sich also durchaus bewährt. Dass man über das Verständnis mancher Aussagen ins Diskutieren kommen kann, ist dabei nicht von Schaden.
Auch „Kleine Erprobungsräume“ können weiter beantragt werden. Sie müssen mindestens vier der sieben Kriterien erfüllen und dürfen weiterhin mit einer Einmalzahlung von bis zu 15.000 € rechnen.
Neu ist ein Passus in den Förderrichtlinien, der ausdrücklich die mögliche Förderung innovativer Arbeitsbereiche von Kirchengemeinden, die sich an den sieben Kriterien orientieren, benennt. Mit dem jeweiligen Projekt sollte allerdings noch nicht begonnen worden sein.
Denn auch wenn schon die über Anträge befindende Steuerungsgruppe sich in der Praxis auch bisher für ein breitgefächertes Spektrum von Projekten einsetzte – im Fokus der Öffentlichkeit stehen hauptsächlich die eher exotisch anmutenden Erprobungsräume. Diese aber taugen nur bedingt als nachahmungsfähige Modelle. Sie zeigen vielmehr eher auf, wie weit man heute den Bogen gemeindlicher Formen schlagen kann. Im Zwischenraum zwischen herkömmlichen Formen von Gemeinde und neuen, eher exotischen Ausdrucksformen erschließt sich ein großer, in seiner Bedeutung nicht zu vernachlässigender Gestaltungsspielraum, in dem man sich gern von Neuem inspirieren lässt und dennoch die Kontinuität mit dem Bisherigen zu wahren versteht. Es ist erfreulich, dass auch Kirchengemeinden, ja gar einzelne Kirchenkreise die sieben Kriterien auch für ihre Wirklichkeit durchdeklinieren. Hier geschieht für die gesamte Kirche Wesentliches (ohne dass es immer auch das Etikett Erprobungsraum tragen muss!). Die Landeskirche würdigt mit der Ergänzung dieses neuen Passus solche Bestrebungen.
Allerdings wäre es falsch, nur auf die finanzielle Förderung abzuzielen. In der Förderrichtlinie heißt es ausdrücklich, dass es in erster Linie um fachliche Begleitung und Beratung geht, „eine rein finanzielle Förderung ist ausgeschlossen“. Diese Begleitung und Beratung sind auch nicht als Einbahnstraße zu verstehen. Auch die Landeskirche will lernen und ist dabei auf die Rückmeldungen aus den einzelnen Erprobungsräumen angewiesen.
Leben als christliche Minderheit in einer stark säkularisierten, pluralistischen Gesellschaft ist für uns alle gleichermaßen ein neues Erfahrungsfeld. Die Herausforderung einer schrumpfenden Kirche mit schwindenden materiellen Mitteln in einer alternden und sich rasch wandelnden Gesellschaft sind immens. Ausgetreten sind Menschen schnell, wieder- oder neugewonnen werden sie nur mit Geduld, intensiver Nähe und Wertschätzung. Und einer gehörigen Portion Glauben. Dies alles aber ist nicht automatisch gegeben, sondern neu zu erlernen und einzuüben. Es werden wohl auch kaum große, mitreißende Entwürfe umgesetzt werden können, sondern eher geduldig viele kleinere Brötchen gebacken werden müssen. Insofern wird unsere Situation der der ersten bescheidenen Jahrhunderte der Christenheit immer ähnlicher. Der Auftrag der Kirche bleibt aber derselbe.
Zu den „kleineren Brötchen“ gehört, dass wir uns eingestehen, dass auf Dauer eine flächendeckende kirchliche Präsenz nicht durchzuhalten ist. Schon ist das Netz der hauptamtlichen Repräsentanz von Kirche an vielen Stellen gerissen. So wünschenswert eine Vielzahl von Pfarrerinnen und Pfarrern, gemeinde- und sozialpädagogischen Mitarbeitenden und anderen kirchlichen Berufsgruppen wäre, so wenig finanzierbar ist diese. Die Corona-Krise und damit verbundenen finanziellen Ausfällen beleuchtet unangenehm, auf welch schwachen Füßen unser auch auf Kirchensteuern, Liegenschaften und Ausgleichszahlungen fußendes Finanzsystem steht. Deswegen ist es auch eher kritisch zu sehen, wenn viele Erprobungsräume besonders auf hauptamtliche Akteure setzen, selbst wenn sie die Gewinnung weiterer, dann ehrenamtlich tätiger Personen im Fokus haben. Es scheint gesünder zu sein, bescheidener mit deutlich ehrenamtlichen Anteilen zu beginnen und bei einer gesunden Entwicklung dieses Engagement mit hauptamtlicher Unterstützung zu unterfangen. Die dafür nötige Finanzierung könnte aus der starken Motivation der dafür Engagierten, ihrer Freunde und Spender und dankbaren Adressaten kommen. Daneben können und sollten Gemeinden und Kirchenkreise Verantwortung für Erprobungsräume ihres Gebietes übernehmen. Dies ist dankenswerterweise an etlichen Stellen schon der Fall.
Deswegen gehört zur Korrektur des Erprobungsräume-Prozesses auch eine Begrenzung der Höchstförderung durch den Fonds Erprobungsräume der Landeskirche: Jährlich können bei der Bewilligung neuer Formen „nur noch“ bis zu 25.000 € zugestanden werden. Weiterhin muss parallel dazu die gleiche Summe auch von Erprobungsraumseite – und ihrer Mitfinanziers – aufgebracht werden. Und es bleibt der dringende Appell an die Verantwortlichen vor Ort, nicht erst am Ende des Förderzeitraums das durch den Wegfall der landeskirchlichen Finanzierung entstehende Loch schließen zu wollen. Die Erfahrung sagt: Menschen investieren gern in Neues, bisher noch nicht Dagewesenes. Klaffende Lücken schließt niemand gern. Es zahlt sich also aus, von Anfang an einer soliden eigenen Finanzierung zu arbeiten.
Noch eine bemerkenswerte Neuerung: Die Förderzeitdauer verlängert sich auf bis zu acht Jahre! Damit wird Rechnung getragen, dass die Erforschung des Erprobungsraum-Umfeldes, die Kontaktaufnahme zu Außenstehenden, der Aufbau verlässlicher Beziehungen, das Herausbilden von tragenden Gemeinschaften viel, viel Zeit und Geduld benötigen.
Auch bisher anerkannte Erprobungsräume können einen Nachfolgeantrag stellen – fußend auf den Bedingungen der ab Januar 2021 gültigen Richtlinien, sodass sie sich nicht benachteiligt fühlen müssen. Voraussetzung ist, dass die jährlichen Verwendungsnachweise und Berichte vorliegen und natürlich die Verlängerung auch Sinn macht.
Der Bedarf an Begleitung ist durchaus groß. Um diese zu gewährleisten, wurden in den letzten Jahren verschiedene Formate entwickelt: eine jährliche „Werkstatt“ als Schaufenster in die Vielfalt der Erprobungsräume, Learning-Communities-Wochenenden, die Akteure und Teams zur gegenseitigen Beratung und zum Feiern zusammenbringen, Resonanzraum-Gespräche vor Ort, die ebenfalls Gelegenheit zur Reflektion bieten. Es bleibt zu betonen, dass die Wahrnehmung solcher Angebote für anerkannte Erprobungsräume verpflichtend ist. Nur so kann ein Lernen auf beiden Seiten sichergestellt werden. Und natürlich gibt es die individuelle Beratung im Landeskirchenamt oder vor Ort. Diese Begleitstruktur besser als bisher zu gewährleisten, wird eine hohe Priorität innehaben.
Andreas Möller, Fachreferent für Erprobungsräume der EKM